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Glasierte Dachwerkziegel

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Die mit der Verwendung glasierter Dachziegel verbundenen Lichtreflexionen mögen gelegentlich als lästig empfunden werden, überschreiten jedoch im Regelfall nicht die Schwelle zur Rücksichtslosigkeit. Eine Rücksichtslosigkeit ist vielmehr nur in Ausnahmekonstellationen anzunehmen.

Maßgeblich hierfür sind der Grad der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenbereiche, die Frage, ob der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann, aber auch der Baugebietstyp und der in diesem zulässige Störgrad.

Lichtimmissionen, die von dem mit glasierten Ziegeln bedeckten Dach des Nachbarn ausgehen, verletzen nicht das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot.

Ausgangspunkt ist hierbei für das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, dass die Verwendung glasierter Dachziegel verbreitet und im Grundsatz nicht zu beanstanden ist. Die damit verbundenen Lichtreflexionen mögen gelegentlich als lästig empfunden werden, überschreiten jedoch im Regelfall – dies ist das Oberverwaltungsgerichtsmitgliedern aus eigener Anschauung entsprechender Dächer bekannt – nicht die Schwelle zur Rücksichtslosigkeit. Dies gilt besonders, wenn matt glasierte Ziegel verwendet sind. Soweit die Rechtsprechung anderer Gerichte die Verwendung glasierter Ziegel beanstandet hat, lagen besondere Fallkonstellationen vor; so befand sich das Dach in vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Urteil vom 19.07.2007 entschiedenen Fall aufgrund einer Abgrabung auf Augenhöhe, die Verwendung glasierter Ziegel war bereits nach einer einschlägigen örtlichen Bauvorschrift unzulässig, die Blendwirkung trat von 11.00 – 15.00 Uhr auf, und denkbare Sichtschutzmaßnahmen hätten dem ohnehin engen südlichen Freibereich des dortigen Klägergrundstücks vollends Sonne und Aussicht genommen.

Ein vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass eine direkte Sonnenreflexion ein Abwenden des Blicks erfordert und dass die Ortsbesichtigung durch das Verwaltungsgericht hiervon keinen hinreichenden Eindruck verschaffen konnte. Letzteres ist unabhängig von den Wetterverhältnissen schon deshalb anzunehmen, weil die Annahme des Verwaltungsgerichts, eine direkte Lichtreflexion könne erst entstehen, wenn die Sonne im Südwesten oder Westen stehe, tatsächlich unzutreffend sein dürfte. Vielmehr spricht Überwiegendes für die Darstellung der Klägerin im Rahmen der Ortsbesichtigung, dass die direkten Reflexionen am intensivsten am späten Vormittag sind, wenn die Sonne über dem Dach des Hauses der Beigeladenen, aber noch im Osten steht, wenn der Betrachter des Daches also “Gegenlicht” hat. Nur dann werden, berücksichtigt man den Grundsatz, dass der Einfallswinkel von Lichtstrahlen dem Ausfallswinkel entspricht, Lichtstrahlen von Ziegeln der um 45° geneigten Dachfläche nach “unten” reflektiert. Gerade der späte Vormittag ist aber keine Zeit, die typischerweise für die Erholung im Außenwohnbereich genutzt wird. Demgegenüber ergibt sich aus dem oben Ausgeführten, dass nachmittags, wenn die Sonne vom Grundstück der Klägerin aus gesehen hinter dem Betrachter steht, deren Strahlen von der schrägen Dachfläche nach oben reflektiert werden. Das Dach mag dann durch indirekte Reflexionen weiterhin glänzend erscheinen, eine potentiell blendende direkte Reflexion ist hingegen ausgeschlossen; hieran kann auch der Umstand, dass Teile der Dachfläche mit gewölbten Ziegeln belegt sind, nichts ändern, da die Ziegel sich zur Seite und nicht nach unten wölben.

Unabhängig davon ergibt sich schon aus der Lage der Grundstücke und Gebäude, wie sie aus den Akten erkennbar ist, die Zumutbarkeit der die Klägerin treffenden Lichtimmissionen. Diese beurteilt sich nach dem Grad der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn, wobei das Maß der Schutzbedürftigkeit im Einzelfall auch davon abhängen kann, ob der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann. Zu berücksichtigen ist auch der Baugebietstyp und der in diesem zulässige Störgrad. Gemessen hieran ist zunächst zu beachten, dass das in einem Mischgebiet nahe einem Gewerbegebiet gelegene Grundstück der Klägerin, auch wenn es selbst nicht gewerblich genutzt wird, ein spürbar höheres Maß an Immissionen – auch Lichtimmissionen – dulden muss, als es das in einem Wohngebiet müsste. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die neben dem Wohnhaus der Beigeladenen gelegenen Grundstücksflächen der Klägerin in erster Linie aus einer gepflasterten Zufahrt und einer großen gepflasterten Hoffläche bestehen. Inwieweit diese Flächen als Außenwohnbereich für die Klägerin eine besondere Bedeutung haben könnten, ist nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar. Allenfalls der offenbar im Winkel zwischen dem Wohnhaus und dem Nebengebäude gelegene Freisitz lässt auf eine Nutzung als Außenwohnbereich schließen; indes wäre es zumutbar, diesen – wenn er denn tatsächlich vormittags genutzt würde – durch einen Sichtschutz in der Höhe abzuschirmen, dass das nachbarliche Dach dem Blick der Nutzer entzogen würde. Vom Freisitz abgesehen ist als Außenwohnbereich in erster Linie der rückwärtige Gartenbereich der Klägerin schutzwürdig. Dieser ist indes dem Wohnhaus der Beigeladenen nicht unmittelbar benachbart und könnte durch geeignete Bepflanzung weitgehend von diesem abgeschirmt werden. Dass Innenwohnbereiche durch die Reflexionswirkung des Dachs der Beigeladenen beeinträchtigt würden, macht die Klägerin selbst nicht geltend.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Juli 2014 – 1 LA 168/13


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